In
der Ernährungswissenschaft hat ein Umdenken eingesetzt. Darauf hat
jetzt der Göttinger Ernährungspsychologe Professor Dr. Volker
Pudel während einer Fortbildungsveranstaltung in der Kirchberg-Klinik
hingewiesen. Wer abnehmen wolle, dürfe sich ruhig satt essen. Statt
wie bisher einfach Kalorien zu zählen, sollte man zwischen Fett-Kalorien
und Kohlenhydrat-Kalorien unterscheiden: „Kalorie ist nicht gleich Kalorie”,
so der Wissenschaftler. „Wer abnehmen will, kann soviele Gummibärchen
essen, wie er will“, schockierte er seine Zuhörer.
Gummibärchen enthalten kein Fett, nur Zucker. Da aber Kohlenhydrate (wie Zucker) beim Menschen in der Regel nicht in Fett umgewandelt werden, „verbrennen“ sie im Körper. Nur wenn jemand mehr als 500 Gramm Kohlenhydrate pro Tag esse, würden diese in Fett umgewandelt und im Körper eingelagert. Das könne bei Gummibärchen kaum passieren, „denn da wird einem vermutlich vorher schlecht“. Pudel warnte aber in diesem Zusammenhang vor zuviel Cola (vier bis fünf Liter pro Tag) oder beispielsweise Apfelsaft, weil darin sehr viel Zucker enthalten sei.
Auch Süßstoff
sei keine wirkliche Alternative zum Zucker, ließ der Gastredner aufhorchen.
Forschungen hätten gezeigt, dass sich die meisten Menschen, ohne es
zu merken, auf andere Weise den Zuckerbedarf doch holten. Pudel: „Es bringt
nichts!“
Statt wie bisher propagiert Kalorien zu zählen, sei es wichtiger, die Hauptfettquellen im Essen zu finden und die Fettkalorien zugunsten von Kohlenhydrat-Kalorien zu vermindern. Bei belegten Broten könne man beispielsweise auf Halbfettmagarine ausweichen, statt Butter aufs Brot zu schmieren. Auch statt drei Scheiben Aufschnitt würden oft zwei Scheiben reichen, ohne dass man den Eindruck habe, auf etwas zu verzichten.
„Fett schmeckt, Fett ist
toll, Fett ist auch für Übergewichtige kein Problem“, so der
Ernährungswissenschaftler, der aus psychologischen Gründen keine
Essverbote aussprechen will. Das Problem sei nur zu viel Fett. 60 bis 70
Gramm pro Tag im
Durchschnitt einer Woche sei das richtige Maß. Dazu könne man
Kohlenhydrate essen, so viel man wolle, um satt zu werden. Kartoffeln und
Nudeln - oder eben Gummibärchen - seien nach neuesten Erkenntnissen
keine Dickmacher. Wer fettreduzierte Lebensmittel esse, werde abnehmen
ohne seine Lebensqualität zu beeinträchtigen. Pudel sprach sich
für „eine Fettnormalisierung auf dem Teller“ aus.
Wer unbedingt dick und fett werden wolle, dem empfahl der Göttinger Professor eine möglichst fette Schweinehaxe zu essen und hinterher einige „Verdauungsschnäpse“ zu trinken. Der Alkohol verhindere nämlich zusätzlich, dass der Körper Fett abbaue, weil er zunächst mit dem Alkohol beschäftigt sei.
Immer wieder untermauerte der Redner seine ungewohnten Aussagen mit Forschungsergebnissen aus den USA und auch mit eigenen in Göttingen. Dabei wies er die zuhörenden Mediziner darauf hin, dass sie ihren Patientinnen und Patienten nicht zuviel abverlangen sollten, denn das schlage mittelfristig ins Gegenteil um, weil sie dann schnell frustriert seien und dann aus Kummer äßen. Sie sollten mit ihren übergewichtigen Patienten Verhaltensregeln für einen überschaubaren Zeitraum (eine Woche) verabreden mit einer flexiblen Kontrolle. Und die Ziele sollten nicht zu hoch geschraubt werden.
„Hängen Sie die Latte
der Zugeständnisse möglichst hoch, damit Ihre Patienten ein Erfolgserlebnis
haben“, riet er. Mit der Zeit könne man die Anforderungen verschärfen,
wenn die Patienten die Ziele locker schafften. Letztlich, betonte er, gehe
es um eine Verhaltenskorrektur beim Essen für die Übergewichtigen.
Zu den Begriffen: Essen oder ernähren?
Abnehmen – gesund und dauerhaft erfolgreich (von Dipl.-Psychologin Elisabeth Zink)