Transplantation
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Leben mit dem Herzen eines Anderen
Von
Chefarzt Dr. Ernst Knoglinger
Wenn das eigene
Herz nicht mehr „repariert“ werden kann, gibt es
manchmal noch einen letzten Ausweg – die Herztransplantation. Auch
heute noch klingt es verwegen, das Herz eines anderen Menschen
einzupflanzen, obwohl diese Behandlungsmethode genauso alt ist wie die
koronare Bypass-Operation. Im Jahr 1967 wurde sie in
Südafrika von dem Herzchirurgen
Christiaan Barnard erstmals am Menschen ausgeführt: dem schwer
herzkranken Patienten Louis Washkansky wurde ein Spenderherz
eingesetzt, er lebte damit aber nur 18 Tage. |
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Warum transplantieren?
Grund für eine Herztransplantation ist
meistens eine Herzschwäche, zum Beispiel nach Herzmuskel-
entzündung (Myokarditis) oder nach mehreren Infarkten. Nicht
selten
kann die Ursache einer Herzschwäche aber auch nicht geklärt
werden.
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Barnards zweiter Patient, der
Zahnarzt Dr. Philip Blaiberg, lebte nach der Transplantation bereits
eineinhalb Jahre. Warum ist die Herztransplantation auch heute noch,
fast 30 Jahre später, etwas besonderes, während sich die
Bypassoperation zu einem Routineverfahren entwickelt hat?
Spenderorgane fehlen
Zum Einen liegt es an der Zahl der
Spender. Viel zu wenig Mitbürger sind zu einer Organspende bereit.
Manche versäumen es nur aus Gedankenlosigkeit oder auch aus
Unsicherheit über den Ablauf einer Organspende, zu Lebzeiten einen
Organspendeausweis auszufüllen. Weil es zu wenig Organspender
gibt, stirbt immer noch jeder zweite Patient, der auf eine
Herztransplantation wartet, bevor er ein rettendes Organ bekommen kann.
Zum
Anderen ist die Herztransplantation vor allem eine Behandlung für
Patienten mit einer chronischen, langsam fortschreitenden
Herzschwäche. Beim plötzlichen Herzversagen, zum Beispiel
durch einen akuten Herzinfarkt, reicht die Zeit nicht aus, um eine
Transplantation vorzubereiten und ein passendes Organ bereit zu
stellen. Und drittens hat die Herztransplantation auch heute noch ein
deutlich höheres Langzeit-Risiko als andere Herzoperationen: nur
etwa 7 von 10 Patienten leben nach der Transplantation länger als
fünf Jahre. Die Transplantation ist deshalb nur der letzte Ausweg
für Patienten, die ohne Operation deutlich schlechtere
Überlebensaussichten hätten.
Abstoßung
ist das Hauptproblem
Das Hauptproblem ist die
Abstoßungsreaktion unseres Körpers. Unser Immunsystem
erkennt fremdes Material und versucht es zu vernichten. Das muss so
sein, denn unser Körper ist ständig den Angriffen fremder
Eindringlinge ausgesetzt. Schmutz-Bakterien, Erkältungserreger,
selbst die Keime auf unserer Nahrung, die wir täglich zu uns
nehmen, könnten für uns tödlich sein, wenn das
Immunsystem sie nicht in Schach hielte. Und auch ein von einem Fremden
übertragenes Organ wird von unserem Immunsystem angegriffen und
zerstört („abgestoßen“). Nach jeder Transplantation
müssen deshalb Medikamente eingenommen werden, die eine
Abstoßungsreaktion unterdrücken – am Anfang mehr, im Lauf
der Zeit weniger, aber absetzen kann man sie ein Leben lang nicht mehr.
Durch diese Medikamente wird das Immunsystem im Allgemeinen
unterdrückt, so dass immer eine erhöhte Anfälligkeit
gegen Infektionen besteht. Keime, die für Gesunde völlig
harmlos sind, können dann ernsthafte Erkrankungen verursachen.
Deshalb sind bestimmte Hygiene-Regeln lebensnotwendig, die jeder
Transplantierte beachten muss. Und es müssen
regelmäßige, anfangs sehr engmaschige und aufwändige
ärztliche Kontrolluntersuchungen stattfinden, um einerseits eine
Abstoßung (= zu starke Immunreaktion), andererseits auch eine
Infektion (= zu schwache Immunreaktion) rechtzeitig zu erkennen und zu
behandeln. Daher sind nur Patienten, die zu einer guten Zusammenarbeit
mit dem Arzt bereit sind, für eine Transplantation geeignet.
Ein fast normales
Leben danach

Hat die Herztransplantation gut
überstanden
und trainiert bereits regelmäßig am Fahrradergometer:
Patient in der Kirchberg-Klinik in der
4. Woche nach
Herztransplantation. |
Von diesen
Einschränkungen abgesehen können Herztransplantierte
aber ein ganz normales Leben führen. Erleichtert wird die
Rückkehr in
das Alltagsleben durch eine Rehabilitation, wie wir sie in der
Kirchberg-Klinik durchführen (AHB = Anschlussheilbehandlung). Hier
werden körperliche Leistungsfähigkeit, psychische
Belastbarkeit,
Verarbeitung des Erlebten und Wissen über die besonderen
Maßnahmen der
Dauertherapie sowie über Wirkungen und Nebenwirkungen der
Medikamente
trainiert. Später können Herztransplantierte auch ihren Beruf
wieder
ausüben und in ihrer Freizeit sportlich aktiv sein. Beim Sport ist
aber
zu beachten, dass bei körperlicher Anstrengung der Puls langsamer
ansteigt und nach Ende der Anstrengung auch langsamer wieder
abfällt
als bei Gesunden, weil die Herznerven, die den Pulsanstieg steuern, bei
der Transplantation durchtrennt werden. Deshalb müssen
längere Aufwärm-
und Abkühl-Phasen eingehalten werden. Die Dauerbelastbarkeit ist
hingegen nach der Transplantation meistens normal, weil nur Organe von
bisher Herzgesunden transplantiert werden, die eine gute Pumpfunktion
haben. Während man früher nur jüngere Menschen zur
Herztransplantation
vorgesehen hat, gibt es heute keine Altersgrenze mehr. Für
Menschen
über 65 Jahren kommt eine Transplantation aber nur selten in Frage. |
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Vergleichszahlen
In Deutschland werden jährlich ca. 400 Herztransplantationen
durchgeführt. Zum Vergleich: im gleichen Zeitraum werden etwa 70
000
Bypass-OP’s und 20 000 Herzklappen-OP’s vorgenommen.
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